Für ein sicheres und leistungsfähiges Lager brauchst du ein ganzheitliches Verständnis aller Regaltypen, deren statischer und dynamischer Belastbarkeit, präzise Sicherheitsnormen, automatisierte Systeme und realitätsnahe Prüfmethoden. In diesem Ratgeber bekommst du eine fundierte Übersicht – ideal für Entscheider und Spezialisten gleichermaßen.
Systemübersicht: Moderne Regaltypen im Vergleich
Einfahr‑ & Durchfahrregale (Drive‑In / Drive‑Through)
Bei Einfahr‑/Durchfahrregalen fahren Stapler direkt in das Regalfeld hinein und legen Paletten auf Führungsschienen ab. Der Unterschied: Drive‑In arbeitet nach LIFO (Last In, First Out), Drive‑Through nach FIFO (First In, First Out).
Technische Merkmale:
- Führungskanäle und Palettenschienen zur korrekten Führung
- Seitsitzstapler oder Spezialstapler erforderlich
- Hohe Raumausnutzung, aber eingeschränkter Direktzugriff
- Enge Toleranzen bei Ebenheit, Baugenauigkeit und Toleranzen
Verschieberegale / Mobile Regalsysteme
Verschieberegale bestehen aus Regalen, die auf motorisierten oder mechanischen Fahrgestellen beweglich sind. Nur ein Gang ist geöffnet, der Rest wird zusammengeschoben.
Wesentliche Eigenschaften:
- Kapazitätssteigerung häufig 80 % bis 120 % gegenüber statischen Regalen
- Antrieb mittels Elektromotor oder Ketten-/Zahnradmechanik
- Integrierte Sicherheitstechnik: Gangverriegelung, Endanschläge, Rücklaufsperren
- Nachrüstung möglich für bestehende Regalstrukturen
Automatische Kleinteilelager (AKL) / Shuttle‑ & RBG-Systeme
Diese Systeme automatisieren den Materialfluss vollständig. Zwei Hauptvarianten:
- Regalbediengeräte (RBG): automatische Brücken- oder Krangestelle, die in hohen Regalen arbeiten.
- Shuttle-Systeme: autonome Einheiten, die Paletten oder Behälter im Regalfeld transportieren.
Besondere Merkmale:
- Höhen bis 25 m oder mehr möglich
- Redundante Systeme (Backup-Achsen, Puffer)
- Hohe Investitionskosten, komplexe Wartung
- Hervorragender Durchsatz und Flächenausnutzung
Ergänzende Systeme & Speziallösungen
- Push‑Back / Multi‑Depth-Systeme: Paletten werden rückwärts gestapelt.
- Paletten-Live / Durchlaufregale: mit Rollenbahnen zur FIFO-Bewirtschaftung.
- Kragarmregale: ideal für Langgut (Rohre, Profile). Anforderungen an Windlasten und Auslegerstatik steigen mit Höhe und Länge.
- Hochregallager / Silo-Bauten: Regalstruktur bildet direkt die Gebäudehülle, Lasten leiten ins Fundament.
Sicherheit & Normen – vertieft
DIN EN 15512 & angrenzende Regelwerke
Die Norm DIN EN 15512 regelt verstellbare Palettenregale aus Stahl, deckt aber nicht alle modernen Systeme ab (z. B. Drive‑In, Verschieberegale, Shuttles). Eine Planung muss diese Lücken durch spezielle Regeln ergänzen.
Wichtige Erweiterungen und Prüfannahmen:
- Horizontallasten: Bei Regalen über 6 m Höhe wird eine horizontale Belastung von 0,25 kN oben und 0,50 kN bis unter 3 m Höhe angenommen.
- Anhebekräfte: Steckverbindungen und Träger müssen mind. 5 kN Aushebekraft aushalten.
- Toleranzen: Ausrichtungsabweichungen, lotrechte Ausrichtung und Verzüge nach EN 15620.
Anfahrschutz & Aushebesicherung
Regalanlagen benötigen zwangsläufig Schutz vor Stapleranprall und das ungewollte Herausheben von Traversen:
- Anfahrschutz: Mindesthöhe 400 mm.
- Aushebesicherung: Verbindungselemente (z. B. Trägerverbindungen) müssen mind. 5 kN aushalten.
- Regalklassen / Höhenklassen: Ab 12 m Höhe gelten strengere Anforderungen bezüglich Aussteifung und horizontale Lastannahmen.
Schadensbewertung & Ampelsystem
Für Inspektionsprozesse sollte ein Ampelsystem verwendet werden:
- Grün: Abweichungen z. B. ≤ 3 mm quer / ≤ 5 mm längs pro 1 000 mm – Beobachtung empfohlen.
- Orange: Grenzwerte überschritten – Teilbelastung, sofortige Reparatur oder Einschränkung.
- Rot: Grenzwert deutlich überschritten – **Sperrung** und sofortige Reparatur notwendig.
Jede Inspektion muss dokumentiert werden – mit Prüfplaketten, Fotodokumentation und Benennung der befähigten Person (gemäß DIN EN 15635).
Stapler & Regalanlage: Interaktion im Detail
Regalfreimaße & Sicherheitsabstände
Präzise Freimaße in X‑, Y‑, Z‑Richtung müssen kalkuliert werden:
- X‑Freimaß: Abstand zwischen Palettenkante und Regalstütze.
- Y‑Freimaß: Abstand zwischen Ladeeinheiten und dem Träger.
- Z‑Freimaß: Luft über der höchsten Palette bis zum nächsten Bauteil oder Decke.
Für Stapler gilt: ≥ 500 mm Abstand zur Regalwand, Oberkante des obersten Fachs mindestens 200 mm unter maximaler Hubhöhe.
Dynamische Kräfte, Punktlasten & Stoßfaktoren
Dynamische Einwirkungen dürfen nicht direkt in statische Lastannahmen integriert werden:
- Punktlasten beim Absetzen können die zulässige Fachlast um bis zu 50 % reduzieren.
- Stoßfaktor nach VDI 2199 üblicherweise 1,4.
- Horizontale Kräfte durch Kollisions- oder Seitenanprall sind zu berücksichtigen.
Berechnungsformel für Flächenlast
qvertikal = (GStapler + GLast) × Stoßfaktor / ARadkontakt
Erweiterte Tabellen & Checklisten
Vergleichstabelle: Regaltypen & Eigenschaften
| Regaltyp / System | Zugriff | Hauptvorteile | Einschränkungen / Anforderungen | Automatisierung möglich? |
|---|---|---|---|---|
| Palettenregal (klassisch) | Direkter Zugriff | Modular, bewährt | Breite Gänge nötig, Platzbedarf | Ja (RBG‑Integration) |
| Einfahr‑/Durchfahrregal | Teilweise direkter Zugriff | Flächenausnutzung hoch | Eingeschränkter Zugriff, Toleranzbedarf | Ja (RBG, Steuerung) |
| Verschieberegale | Direkter Zugriff auf jede Palette | Maximale Raumnutzung | Mechanisch aufwändig, Sicherheitstechnik nötig | Teilweise automatisiert |
| AKL / Shuttle / RBG | Automatischer Zugriff | Hoher Durchsatz, Platzoptimierung | Hohe Kosten, Komplexität | Vollautomatisierbar |
| Kragarmregal | Direkter Zugriff | Ideal für Langgut | Windlasten, Spezialstatik | Kaum automatisierbar |
| Paletten-Live / Durchlaufregal | FIFO-Zugriff | Hoher Umschlag | Mechanischer Aufwand, Bewegungsenergie | Begrenzt automatisierbar |
Sicherheits- und Mindestmaße
| Merkmal | Mindestmaß / Anforderung |
|---|---|
| Anfahrschutzhöhe | ≥ 400 mm |
| Aushebesicherung | ≥ 5 kN |
| Horizontallasten (Regal > 6 m) | 0,25 kN oben, 0,50 kN bis 3 m Höhe |
| Toleranz lotrechte Ausrichtung | ≤ H / 350 |
| Sicherheitsabstand Stapler zu Regal | ≥ 500 mm (Breitgang) |
| Abstand oberstes Fach zu Hubhöhe | ≥ 200 mm |
Checklisten für Inspektion & Wartung
Wöchentliche Sichtprüfung (Lagerpersonal):
- Beschädigungen an Stützen, Traversen prüfen
- Verzüge oder Abknickungen inspizieren
- Verbindungselemente auf festen Sitz kontrollieren
- Korrosionsschäden / Lackbeschädigungen erkennen
- Bodenverankerungen überprüfen auf festen Sitz
Jährliche Experteninspektion (befähigte Person):
- Lastmessung & Durchbiegung bei Traversen
- Vermessung von Verzügen / lotrechter Ausrichtung
- Kontrolle von Steckverbindungen / Schrauben / Verbindungsteilen
- Prüfung von Anfahrschutz, Aushebesicherungen und Systemschutz
- Dokumentation: Prüfberichte, Fotobelege, Plaketten mit Datum & Name
Integration moderner Staplertechnologien
Führungstechnik & Schmalgangsysteme
Schmalgangsysteme nutzen mechanische oder optische Führungssysteme (z. B. Laserschiene, Magnetführung) zur präzisen Spurhaltung. So sind Gangbreiten von ca. 1.600–2.000 mm realisierbar. Seitenkräfte werden reduziert durch exakte Führung.
Assistenz- & Sensorsysteme (VDI 4482 u. ä.)
Moderne Stapler verfügen zunehmend über:
- Abstandssensoren und Kollisionswarnsysteme
- Kameraassistenz zur Navigation in engen Gängen
- Lastdetektion, Hubüberwachung, Warnsysteme
- Sicherheitsbereiche und Logiksysteme, die Bewegungen regulieren
Hochhubtechnologie & Spezialmasten
Für Hubhöhen über 12 m sind spezielle Mastlösungen gefragt – Teleskop-, Mehrfachgelenk- oder Profilsysteme. Diese erfordern zusätzliche statische Annahmen:
- Windlasten und horizontale Belastungen
- Seitendruck aus dynamischem Staplerverkehr
- Versteifung und verstärkte Profile bei großen Höhen
Praxisbeispiele und TCO-Betrachtung
Um die Leistungsfähigkeit moderner Lager- und Regalsysteme besser einordnen zu können, lohnt sich der Blick in reale Anwendungen. Die folgenden anonymisierten Praxisbeispiele zeigen, wie unterschiedliche Branchen automatisierte Systeme nutzen, um Effizienz, Flächennutzung und Prozessqualität deutlich zu steigern.
Automobilbranche: Vertikallifte und automatisierte Shuttle-Systeme
Ein internationaler Automobilzulieferer in Süddeutschland ersetzte konventionelle Fachbodenregale durch ein vertikales Lagerlift-System zur Pufferung von Fertigungsteilen und zeitkritischen Komponenten. Die Anlage mit über 12.000 Behältern nutzt ein Pick-by-Light-System und konnte die Kommissionierleistung um 35 % steigern.
Ein weiteres Beispiel aus der Automobilproduktion zeigt die Integration eines Palettenregalsystems mit automatischem Shuttle in eine bestehende Fertigungs- und ERP-Landschaft. Die Lösung bietet:
- 5.000 Palettenstellplätze
- Direkte Beladung aus der Fertigungslinie
- Verkürzung der Lieferzeiten um 20 %
E-Commerce: Lagerlifte für Fulfillment und Retourenmanagement
Ein Fulfillment-Dienstleister aus dem Mode- und Schuhbereich konsolidierte mehrere Außenlager in einer zentralen Logistikhalle mit zehn vertikalen Lagerliften (je 37 Tablaren). Die automatisierte Lösung ermöglicht die Kommissionierung von bis zu 1.000 Aufträgen täglich auf nur 1.000 m² Hallenfläche. Durch ergonomische Arbeitsplätze und kürzere Wege sanken die Durchlaufzeiten um 40 %.
Lebensmittelgroßhandel: Kombination klassisch und automatisiert
Ein Großhändler für Lebensmittel und Getränke setzt auf eine kombinierte Lösung bestehend aus:
- Palettenregalen mit rund 3.200 Stellplätzen
- Shuttle-Systemen für Schnellläufer und Pick-Zonen
- Rollenförderern zwischen Wareneingang, Kommissionierung und Versand
Das Ergebnis: 25 % höhere Pickingrate bei gleichzeitiger Flächenoptimierung – 6.500 m² statt ursprünglich 9.000 m² Lagerfläche.
Wirtschaftlichkeit im Fokus: Total Cost of Ownership (TCO)
Automatisierung lohnt sich nicht nur in der täglichen Anwendung – auch langfristig zeigen sich deutliche Vorteile, wenn man alle Kosten einbezieht. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Unternehmen durch gezielte Investitionen nachhaltige Einsparungen erzielen konnten.
AGV statt manueller Flurförderzeuge: Kosten über 10 Jahre
Ein produzierendes Unternehmen verglich zwölf automatisierte Transportfahrzeuge (AGV) mit sechs manuellen Elektro-Flurförderzeugen (HHW) über einen Zeitraum von zehn Jahren:
- Personalkosten pro Jahr: AGV: 60.000 €, HHW: 660.000 €
- Kumulierte Einsparung: über 3,6 Mio. € (ca. 50 %)
- Leasing-Modell für AGV: weitere 215.000 € Einsparung durch modulare Raten
Externe TCO-Analyse: Optimierung vor Systemeinführung
Ein mittelständischer Konsumgüterlogistiker beauftragte vor der Einführung eines automatisierten Kommissioniersystems (Investitionsvolumen: 2,4 Mio. €) eine externe TCO-Betrachtung. Die Analyse zeigte unter anderem:
- Verdeckte IT- und Umbaukosten
- Produktionsausfälle während der Implementierung
Durch gezielte Anpassungen konnten:
- die Betriebskosten um 18 % gesenkt
- die Fehlerquote um 25 % reduziert
- die Mitarbeiterzufriedenheit um 12 % gesteigert
- zusätzliche Skalierung ohne Folgeinvestitionen ermöglicht werden
Fazit & praktische Empfehlung
Ein Lager ist ein komplexes System: Nur wer Regal- und Staplertechnik, Automatisierung und Prüfprozesse ganzheitlich denkt, kann Effizienz und Sicherheit realisieren. Moderne Systeme wie Verschieberegale oder AKL bieten enormen Mehrwert – aber nur, wenn sie technisch abgestützt und normkonform geplant sind.
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