Rückhaltesysteme sind Pflicht, wenn in großer Höhe gearbeitet wird. Sie sichern den Bediener in der Plattform und verhindern, dass er sich zu weit hinauslehnt oder stürzt. Entscheidend ist, wo angeschlagen wird, welche Norm gilt und welche Kräfte tatsächlich wirken. Hier findest du alle relevanten Fakten für sichere Arbeiten auf Hubarbeitsbühnen.
Grundlagen: Rückhalte- und Auffangsystem im Vergleich
Ein Rückhaltesystem (Fall-Restraint) sorgt dafür, dass sich die Person innerhalb der sicheren Zone des Arbeitskorbs bewegt. Es verhindert den Absturz bereits im Vorfeld. Ein Auffangsystem (Fall-Arrest) greift erst, wenn der Absturz eintritt – dann müssen Gurt, Seil und Anschlagpunkt enorme Kräfte aufnehmen.
Die Normen machen klare Vorgaben: Rückhaltesysteme müssen an Anschlagpunkten mit mindestens 3 kN Tragfähigkeit befestigt sein. Auffangsysteme erfordern laut DIN EN 795 6 bis 7,5 kN. Beide Systeme dürfen nicht verwechselt oder vertauscht werden.
Normen und Vorschriften im Überblick
Für Hubarbeitsbühnen gilt die DIN EN 280:2016-04. Sie schreibt feste Anschlagpunkte im Arbeitskorb mit mindestens 3 kN Tragkraft vor – ausschließlich für Rückhaltesysteme. Diese Anschlagpunkte sind fest in den Korbboden oder die Struktur integriert und deutlich gekennzeichnet. Nur hier darf angeschlagen werden. Andere Bauteile wie Geländer oder Bedienpulte sind keine zulässigen Anschlagpunkte.
Für Auffangsysteme gilt die DIN EN 795. Sie legt je nach Typ (z. B. Klasse A für feste Anschlagpunkte) eine Tragfähigkeit von mindestens 6 kN bis 7,5 kN fest. Die Betriebssicherheitsverordnung und die PSA-Benutzungsverordnung ergänzen diese Anforderungen um Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung und Prüfpflichten.
Anschlagpunkte und ihre Tragfähigkeit
| Systemart | Norm | Tragfähigkeit | Verwendung |
|---|---|---|---|
| Rückhaltesystem | EN 280 | ≥ 3 kN | Verhindert Hinauslehnen oder Herausfallen |
| Auffangsystem (klassisch) | EN 795 | ≥ 6 kN | Fängt Absturz auf, hohe Fangkräfte |
| EN 795 Klasse A | EN 795 | ≥ 7,5 kN | Feste Anschlageinrichtungen |
Hersteller und Modellangaben von Anschlagpunkten
| Hersteller | Modell | Typ (EN 795) | Tragfähigkeit |
|---|---|---|---|
| Skylotec GmbH | Securant® Permanent Anchor | Typ A | 12 kN statisch in alle Richtungen |
| RUD | X-Gounted® PSAgA Single Point | Typ A | 12 kN statisch (4-facher Sicherheitsfaktor) |
| McBULL® | Anschlagpunkt 3150 kg | – | 3,15 kN (Güteklasse 8; für Hebeprozesse) |
| Tractel Greifzug | PA (Einzelanschlagpunkt) | Typ A | bis 12 kN (je nach Serie) |
| PSA-INOX-STAR | M12 L:18 mm / L:50 mm | Typ A | 12 kN (Edelstahl, rostfrei) |
| WS-Gruppe | ABS Lock III (Beton) | Typ A | 22 kN statisch |
Systemkomponenten und Anwendung
Ein komplettes Rückhaltesystem besteht aus Auffanggurt (EN 361), Verbindungsmittel (EN 354) und ggf. Falldämpfer (EN 355). Die Verbindung darf maximal 1,80 m lang sein, um Bewegungsfreiheit zu begrenzen. Mitlaufende Auffanggeräte nach EN 360 passen die Seillänge automatisch an und reduzieren den sogenannten Peitscheneffekt. Helme mit Kinnriemen (EN 12492) schützen zusätzlich vor Kopfverletzungen.
Fangstoßkräfte und Peitscheneffekt
Beim Auffangen eines Sturzes wirken extreme Kräfte. Die maximale Fangstoßkraft kann vereinfacht berechnet werden mit:
Fmax = (m × g × h) / s + (m × g)
mit:
- m = Gesamtmasse (Mensch + Ausrüstung) in kg
- g = Erdbeschleunigung 9,81 m/s²
- h = Fallhöhe in m
- s = Stroking-Weg des Falldämpfers in m
Beispielrechnung
Beispiel: m = 100 kg, s = 1,5 m, g = 9,81 m/s²
| Fallhöhe h (m) | Fmax (N) |
|---|---|
| 1,0 | 1 635 N |
| 2,0 | 2 289 N |
| 3,0 | 2 943 N |
Die Werte zeigen: Bereits bei geringen Fallhöhen wirken mehrere Kilonewton. Deshalb sind geprüfte Anschlagpunkte mit mindestens 12 kN Belastbarkeit und ein ausreichend langer Dämpfungsweg entscheidend für die Sicherheit.
Praxisbeispiel: Richtiger Anschlag verhindert Unfall
Ein Monteur arbeitete mit einer 20-Meter-Gelenk-Arbeitsbühne an einer Hallenfassade. Beim Zurückschwenken des Auslegers stieß der Korb gegen ein Rohrleitungssystem, wodurch der Bediener ins Straucheln geriet. Dank seines korrekt angelegten Rückhaltesystems – Gurt EN 361, Verbindungsmittel EN 354, Anschlagpunkt im Korb (3 kN nach EN 280) – blieb er sicher in der Plattform. Ohne diese Sicherung wäre er aus etwa acht Metern abgestürzt. Das Beispiel zeigt, dass auch kurze Momente der Unachtsamkeit schwerwiegende Folgen haben können – und wie wichtig korrekt eingesetzte PSAgA in der täglichen Praxis ist.

Anschlagpunkte im Arbeitskorb einer Arbeitsbühne sind in der Regel gut gekennzeichnet. Die PSAgA darf nur hier angeschlagen werden: Pro Anschlagpunkt eine Person bzw. eine PSAgA

Pflichten, Prüfungen und Unterweisung
Arbeitgeber sind verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und geeignete Rückhaltesysteme bereitzustellen. Jede PSA gegen Absturz muss vor der Benutzung geprüft und mindestens einmal jährlich durch eine befähigte Person kontrolliert werden. Alle Mitarbeitenden, die Hubarbeitsbühnen bedienen, müssen mindestens einmal jährlich praktisch unterwiesen werden – inklusive Anschlagen, Retten und Notablassen.
Fazit
Rückhaltesysteme auf Arbeitsbühnen retten Leben – vorausgesetzt, sie sind richtig gewählt, korrekt angeschlagen und regelmäßig geprüft. Die Anschlagpunkte im Arbeitskorb sind fest integriert und dafür ausgelegt, mindestens 3 kN zu halten. Für Auffangsysteme gelten deutlich höhere Werte bis 7,5 kN. Entscheidend ist die saubere Trennung beider Systeme, die fachgerechte Unterweisung und das Bewusstsein, dass Sicherheit kein Zusatz, sondern Teil der täglichen Arbeit ist.






























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